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Proteste in Brasilien




Brasilien – ein Land, in dem die Höhe des Einkommens nicht unterschiedlicher sein könnte. Drei von zehn Brasilianern leben unter der Armutsgrenze. Favelas, Inflation, Schießereien, Drogen und Diebstähle gehören genauso zum brasilianischen Alltag wie der Fußball, Samba und die Brasilianerinnen mit ihren Astral-Körpern.


Die WM 2014 und die Olympiade 2016 stehen vor der Tür und man könnte denken, dass das der reinste Traum eines Landes - das so fußballvernarrt wie Brasilien ist - sei. Man erwartet fröhliche Samba-Stimmung und farbenfrohe Feste während der Ereignisse.
Doch die letzten zwei Wochen haben gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Die Unzufriedenheit über die soziale Lage steigt in der Bevölkerung. Steuereinnahmen werden in riesengroße WM-Stadien gepumpt, anstatt in das Bildungs- und Gesundheitssystem, die es so dringend nötig hätte. Schlechtbezahlte Lehrer, schlechte schulische Ausstattungen und veraltete Gebäude sind genauso alltäglich wie monatelanges Warten auf Operationen, die für viele Bürger nicht bezahlbar sind.
Studenten, die gleichzeitig studieren und arbeiten müssen und somit einer Doppelbelastung ausgeliefert sind. Hinzu kommt, dass sie in inhumanen Unterkünften wohnen, wie beispielsweise in einem Kellerraum, den sie sich mit Anderen teilen müssen. Schimmel, Dreck und Feuchtigkeit sind nicht unüblich. Eine förderliche Lernumgebung sieht anders aus. Aber vom Staat gibt es hier keine Unterstützung.

Doch was genau bringt die WM dem Land? Kurzfristig bringt es in erster Linie Arbeitsplätze. Infrastruktur und Stadien müssen gebaut werden. Aber auch der Tourismus wird angekurbelt. Millionen von Sportfans werden nach Brasilien strömen, um sich dies Spektakel anzuschauen. Ausgebuchte Hotels und volle Restaurants sind die Folge.
Doch was bringt die WM dem einfachen Bürger? Die WM-Tickets sind so teuer, dass sich der Großteil der brasilianischen Bevölkerung diese nicht einmal leisten kann. Nur die besseren Schichten können sich die Karten kaufen. Zwar gibt es Arbeitsplätze für die Erbauung von Stadien, neuen Hotels, Infrastruktur, etc. aber langfristig hilft es dem Bürger nicht, seinen Lebensstandard zu verbessern. Denn was bringt einem Bürger ein Fußballstadion nach der WM? Nach der WM hat das Stadium seinen Sinn erfüllt und hat gleichzeitig Milliarden von Steuergeldern verschlungen und das in einem Land, in dem jeden Tag 13 Millionen Menschen hungern müssen.

Eine Demonstration-Kultur wie in Frankreich, gibt es in Brasilien nicht. Die letzte große Massendemonstration war vor über 20 Jahren, die zur Absetzung vom damaligen Präsidenten Collor de Mello im Jahre 1992 geführt hat.
Desto erstaunlicher ist es, das die Demonstrationen die vor zwei Wochen in Sao Paulo angefangen haben, so eine Eigendynamik bekommen haben. Zu Beginn wurde in Sao Paulo nur gegen die Erhöhung der Busfahrpreise gestreikt. Angesichts der Tatsache, dass die Polizei – policia militar - so gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen ist, stieg die bereits vorhandene Unzufriedenheit gegenüber den Politikern und die Korruption im Lande und es folgten weitere Demonstrationen. Mittlerweile haben sich die Demonstrationen auf andere Städte ausgedehnt: Rio de Janeiro, Brasilía, Porto Alegre, Maceió, Fortaleza, Salvador, Belím Vitória, Curitiba, Belo Horizonte. Mehrere Millionen Brasilianer gehen auf die Straße und kämpfen für ihre Rechte und gegen Fifa und die Regierung. Größtenteils sind die Demonstrationen friedlich. Eine Besetzung wie z.B. ein Regierungsgebäude in Brasilía oder Ausschreitungen wie in Rio de Janeiro sind eher die Ausnahme.

Da ich momentan ein Auslandssemester an einer Uni in Brasilien mache, bekomme ich die Unzufriedenheit und Unruhen vor Ort live mit. Bemerkenswert ist, dass Brasilien – ein so großes Land – sich in diesen Tagen so vereint und verbunden zeigt. Alle mit dem selben Motiv: für ein besseres Land und gegen Korruption. Angefangen in den großen Zentren, verteilen sich die Demonstrationen mittlerweile auch schon auf die kleineren Städten aus.
Gespräche mit den Leuten vor Ort zeigen, dass sie es satt und müde sind, hohe Steuern zu zahlen.; Steuergelder, mit denen sich die Politiker ein schönes Leben machen. Seit Tagen gibt es kein anderes Thema mehr an der Uni und soziale Netzwerke werden überflutet mit neuen Ankündigungen von Demonstrationen, Zeitungsartikeln, Meinungen und weiteren Korruptionsfällen auch seitens der Parteien.
Das Volk fühlt sich betrogen und hat genug davon. Denn trotz steigenden Steuern tut sich für die Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes wenig. Brasilien, ein mittlerweile relativ wohlhabendes Land, gilt trotz der mit am höchsten Steuereinnahmen weltweit immer noch als Land der Dritten Welt.


Gastbeitrag von Carmen, die gerade in Brasilien studiert.

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